Der Trend geht eindeutig nach unten. Immer häufiger finden sich in den Ölkreisläufen moderner Motoren Öle mit besonders niedriger Viskosität von 0W-20, teilweise sogar schon 0W-16, wie etwa im Toyota Prius. Überhaupt waren die japanischen Hersteller die ersten, die auf dünnflüssige Motoröle setzten, um Kraftstoff zu sparen und die Emissionen zu senken. Motul hatte bereits 2002 ein 0W-20-Öl im Sortiment, doch damals gab es noch keinen Markt dafür. Erst 2009 stieg Toyota ein.

„Heute haben wir nicht ein, sondern sieben verschiedene 0W-20-Produkte im Angebot, weil viele Automobilhersteller spezielle Formulierungen verlangen“,

so Alexander Hornoff, technischer Leiter bei Motul. Dazu kommen Öle der Specific-Serie, etwa das Longlife 4 (VW 50800/50900) für Volkswagen-Modelle. Auch andere Hersteller haben eine breite Produktrange an 0W-20-Ölen, abgestimmt auf einzelne Marken, asiatische oder amerikanische Motorentechnik. Dabei kommen die niedrigviskosen Öle sowohl in Diesel- als auch Benzinmotoren zum Einsatz.

Antrieb durch Vorschrift

Dahinter steht das Bestreben der Automobilhersteller, den Verbrauch der Motoren weiter zu reduzieren. „Spritspar-Öle“ gibt es zwar bereits seit längerem, doch durch die seit 2021 geltende EU-Abgasvorschrift mit einem maximalen erlaubten Ausstoß von 95 Gramm CO2 pro Kilometer hat das Thema erneut Aufwind bekommen. Je dünnflüssiger das Öl ist, desto weniger Kraft muss der Motor aufwenden, um das Öl zu pumpen, und desto geringer ist daher der Spritverbrauch. Dieser Effekt macht zwar nur wenige Prozentpunkte aus, aber es ist eine der vielen kleinen Stellschrauben, an denen die Autohersteller drehen. Außerdem werden durch die geringere Viskosität des Motorenöls bewegliche Teile im Motor durch die Flüssigkeitsreibung des Öls weniger stark abgebremst. Als Konsequenz muss der Motor weniger Energie aufbringen, um sich weiter zu bewegen und der Kraftstoffverbrauch des Motors sinkt.

Klopfen verhindern

Die Aufgaben des Motoröls haben sich hingegen, zumindest theoretisch, nicht verändert. Trotz niedriger Viskosität muss neben der Schmierung auch die thermische Stabilität gewährleistet sein. In Motoren, die noch nicht dem Downsizing unterliegen, haben die Hersteller dazu die Ölmenge erhöht, auch um die verlängerten Ölwechselintervalle einhalten zu können. In den Motoren neuerer Generation, mit weniger Hubraum, Direkteinspritzung und Turboaufladung, ist dies nur begrenzt möglich. Trotzdem steigen die Anforderungen an den Schmierstoff, denn diese Motoren verunreinigen sich durch die Abgasrückführung selbst. An den glühenden Ablagerungen an Kolben und Ventilen kann sich das Benzingemisch ungewollt entzünden, es kommt zum „Klopfen“ bei niedriger Drehzahl und hoher Last.

„Es entstehen Druckspitzen, die vier bis fünf Mal höher sein können als im Normalbetrieb. Treffen die immer auf die gleiche Stelle, kann etwa der Ringsteg oder der ganze Kolben an der Stelle brechen“,

so Alexander Hornoff. Dieses LSPI (low-speed-pre-ignition) genannte Phänomen der unkontrollierten Frühzündung wird über eine entsprechende Additivierung verhindert, die Schmutzpartikel löst.

Additive schmieren

Diese Additive sind es auch, die trotz deutlich verringerter Stärke des Ölfilms die Schmierwirkung erhalten.

„Das Öl muss verhindern, dass sich die Oberflächen, beipielsweise im Lagerbereich, berühren, sonst trifft härteste Oberfläche, der Hubzapfen der Kurbelwelle, auf das weicheste Teil, die Lagerschale, und die ist dann ganz schnell weg“, so Hornoff.

Bei den niedrigviskosen Ölen ist es so, dass das Grundöl kaum mehr selber zur Schmierung beiträgt, sondern mehr oder weniger nur noch die Trägerflüssigkeit für die Additivpakete ist. Diese Additivpakete machen bei einem modernen Öl rund 30 Prozent des Inhalts aus. Darüber hinaus müssen die Inhaltsstoffe auch mit Verunreinigungen durch Ruß, Kraftstoff, Kondenswasser und Säuren fertig werden sowie materialverträglich sein, etwa wenn Zahnriemen durchs Ölbad laufen.

Flüssiges Ersatzteil

Waren Autofahrer und Werkstätten schon früher angehalten, stets das gleiche und nur durch den Hersteller freigegebene Öl einzufüllen, wird das in Zukunft immer wichtiger. Von Castrol heißt es dazu:

„Die Motorentechnik muss auf die niedrigviskosen Öle ausgelegt sein. Solche modernen niedrigviskosen Produkte sind für ältere Motoren größtenteils nicht bestimmt und deshalb auch nicht geeignet“.

Noch deutlicher wird Liqui Moly:

„Es ist wichtig zu begreifen, dass Motoröl heutzutage kein universales Schmiermittel mehr ist, bei dem ein und dasselbe Öl für eine Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeuge geeignet ist. Heutzutage ist Motoröl ein flüssiges Ersatzteil, das genau zum jeweiligen Fahrzeug passen muss. Allein für Pkw gibt es aktuell über 50 verschiedene Ölspezifikationen. Falsches Motoröl einzufüllen ist wie ein falsches Ersatzteil einzubauen“.

Die Werkstätten sind also gefordert, bei entsprechenden Fahrzeugen mehr denn je auf die richtige Ölsorte zu achten und Autofahrer darauf aufmerksam zu machen, dass dies auch für die Zeit nach der Garantie gilt und eine Flasche passendes Nachfüllöl mitzuführen. So verlangt VW zum Beispiel den Zusatz eines chemischen Markierungsstoffs, der im Falle eines Motorschadens und Reklamation die Nachweisführung erleichtert. In naher Zukunft sind noch niedrigere Viskositätsklassen zu erwarten. Castrol etwa bringt im Laufe des nächsten Jahres Viskositätsklassen von 0W-12 und darunter auf den Markt, um die Anforderungen der Hersteller zu erfüllen.

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